Einer Studie im Auftrag der Europäischen Union aus dem Jahr 2014 zufolge erlebt in Europa jede
dritte Frau* ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt. Mädchen wachsen mit
der
Vorstellung auf, dass ihnen körperliche oder sexualisierte Gewalt potenziell überall begegnen kann,
hauptsächlich jedoch im öffentlichen Raum. Kriminalfilme und –serien reproduzieren seit Jahrzehnten das
Narrativ, wonach Mädchen und Frauen insbesondere nachts in Parks und auf der Straße mit Übergriffen rechnen
müssten. Ihnen wird geraten, dunkle Gegenden in den Abendstunden zu meiden.
Tatsächlich begegnen Mädchen und Frauen ihren Peinigern fast ausschließlich in ihrem nahen
Umfeld – zuhause,
unter Familienmitgliedern und in erster Linie durch ihre Partner: In Deutschland erlebt alle 45 Minuten eine
Frau gefährliche Körperverletzung durch ihren Partner (BMFSFJ 2019). Der Rat, im öffentlichen Raum besonders
auf der Hut zu sein, stellt insofern eine wenig hilfreiche Handlungsanweisung dar. Sie entlastet die
Mehrheit der Täter und bereitet Frauen und Mädchen nicht auf die wahren Gefahren vor.
Auch über die Gruppe der Täter kursieren Missverständnisse in der öffentlichen Wahrnehmung: Sofern Gewalt
gegen Frauen durch Medienberichte aufgegriffen wird thematisiert sie die Taten vor einem vermeintlich
kulturellen Hintergrund der jeweiligen Täter oder verortet diese in sozial schwachen Milieus. Femizide und
Gewalt gegen Frauen, die von BIPoC Männern ausgeübt wird, finden ihren Weg am ehesten in die Medien –
Gewalttaten weißer Täter jedoch kaum. Diese einseitige Thematisierung von Gewalt an Frauen wird ihrer
tatsächlichen Verbreitung in der Gesellschaft nicht annähernd gerecht. Häusliche Gewalt gegen Frauen
kommt
in allen sozialen Milieus und gesellschaftlichen Schichten vor.
So unterschiedlich die sozialen Hintergründe der Täter dabei sein mögen – sie eint, dass die häusliche
Gewalt nahezu ausschließlich von Männern ausgeht. In der Prävention von Gewalt gegen Frauen
sollte der Fokus
entsprechend auf Männern liegen. Die Bilder der Kampagne zeigen deutsche Männer, die unterschiedliche
soziale Milieus der Bevölkerung repräsentieren. Auch wenn wir nicht daran gewöhnt sind, uns gewalttätige
Partner in vertrauten Wohnzimmereinrichtungen vorzustellen – sie alle könnten Täter sein. Gewalt gegen
Frauen ist der eigenen Lebensrealität näher, als man denkt.
Don´t protect your daughter, educate your son!